Montag, 20. Juli 2009
WK 20.07.2009
WK_20.07.2009

Einfach mal nichts tun in Phlegmarama
Auf der Brache hinter dem Güterbahnhof haben sich Künstler und solche, die es werden wollen, einen Abenteuerspielplatz eingerichtet

Von Alena Hecker Bahnhofsvorstadt. Die Oase wächst. "AufAuf", das vom Autonomen Architektur Atelier (AAA) initiierte Projekt zur temporären Nutzung der Brachfläche nahe dem Güterbahnhof, zieht stetig neue Schaulustige und Gäste an. An einem Sonnabend stand "AUFmucken" auf dem Programm: Bremer Bands rockten die Brache bis kurz nach Mitternacht.
Florian Oberlechner steht auf dem 15 Meter hohen Turm aus Baugerüsten und prüft seine Ausrüstung. Der Musiker, der mit einem Teil seiner Band "Flow Job" auftritt, ist spontan hergekommen. Ein Freund, der ebenfalls auf der Brache spielen wird, hat ihn eingeladen, Florian Oberlechner sagte zu. "Wir machen öfter so Hauruck-Aktionen", sagt er und grinst.
Während Florian Oberlechner und Sängerin Nadine Scheffler sich bereit machen für den ersten Auftritt, herrscht auf dem Rest der Brachefläche reges Treiben. Eine Reisegruppe wird gerade von Gertrud Schleising über ihr "Lanzarote" geführt, einer Nachahmung der Vulkaninsel zwischen Schrott und Schienen.
Hungrige Grillfreunde pilgern nach "Phlegmarama". "In unserem Land hat man die Erlaubnis, sein Phlegma pflegen zu dürfen", erklärt Beate Vogg, die es sich auf einer Sonnenliege aus Matratzen mit Plastiktütenbezug bequem gemacht hat. "Einfach mal nichts tun" laute das Motto in ihrem Traumland auf der Brache.
Die Kunst- und Kulturvermittlerin aus der Neustadt hat gerade ihr Studium beendet. Ihre Freundin Doreen Seefeldt, die sich in die selbstgeknüpfte Hängematte zurückgezogen hat, macht eine Ausbildung zur Psychotherapeutin.
"Wir haben gerade total viel zu tun, deshalb ist es ja so wichtig, sich auch mal Zeit zu nehmen", findet Beate Vogg. Seit ein paar Tagen sind die beiden Bremerinnen dabei, sich ihre eigene kleine Oase zu erschaffen. "Auch in den Tagen, wo es immer so geregnet hat, war es total schön hier", erzählt Beate Vogg. Alle hätten sich zusammen untergestellt, seien ins Gespräch miteinander gekommen. Und auch in "Phlegmarama" gelte: "Unser Ziel ist es, die Kommunikation anzuregen." Und sei es beim Grillen.
Auf dem Turm steht derweil Flow Job bereit für den ersten Auftritt an diesem Abend. "Verstörend" nennt Florian Oberlechner seine Musik, "aber sie soll auch schön sein." Lieder und Texte komponiert der Wahlbremer aus Österreich selbst. Österreichische Kultur stecke darin, "viel Rock, auch Techno oder indische oder arabische Einflüsse". In Begleitung seines Akkordeons singt der freischaffende Musiker aus der Neustadt über Liebe, Probleme im Alltag oder die Politik - bei "Flow Job" ist alles erlaubt, was gefällt.
Vielleicht befindet Florian Oberlechner auch deshalb die "AufAuf-Aktion" des AAA für gut: "Das ist so schön trashig." Eben ähnlich spontan und experimentell wie seine Musik, etwa, wenn er gemeinsam mit seiner Partnerin Nadine Scheffler seine Liebe zu einem Stück Fleisch besingt, das saftig und duftend auf dem Teller liegt. Das Publikum dankt es ihnen mit Gelächter. Und während "Flow Job" von Depression und Deflation singt und wie alles den Bach runtergehe, versinkt langsam die Sonne hinter den Bahngleisen und taucht die Brache in rotes Licht - ein weiterer Tag in der selbstgebauten Oase ist vergangen.
Zu "AufAuf" sind alle eingeladen, die Ideen haben, wie man die Brache hinter dem Güterbahnhof anders nutzen kann. Noch bis Sonntag, 26. Juli, ist die Fläche zum Experimentieren freigegeben. Mehr unter www.aufauf.blogger.de.

© Copyright Bremer Tageszeitungen AG Ausgabe: Mitte Seite: 5 Datum: 20.07.2009

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